Du bist, was du isst, sagt ein Sprichwort. Doch es gibt auch zahlreiche Hinweise darauf, dass nicht nur das, was und wieviel wir essen, Einfluss auf die Gesundheit hat. Auch wie schnell und wann wir essen, spielt scheinbar eine beachtliche Rolle.
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sowohl Mahlzeiten-Timing als auch das Ess-Tempo das Risiko für Magen-Darm-Probleme/Erkrankungen, Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes deutlich beeinflussen können. Die wesentlichen Zusammenhänge zwischen Mahlzeiten-Timing und unserer Gesundheit habe ich ja bereits in meinem ebook „Chrononutrition“ ausführlich beschrieben. Wer das ebook noch nicht kennt, kann es sich hiergerne kostenfrei herunterladen.
In diesem Beitrag heute wollen wir uns nun den Faktor Ess-Geschwindigkeit mal näher vorknüpfen und schauen, wie sich auch dieser auf unsere Gesundheit auswirken kann.
Schnell essen = zu viel Essen?!
Die meisten Menschen kennen die kurzfristigen unschönen Auswirkungen von zu schnellem Essen auf Magen und Darm, wie Völlegefühl, Sodbrennen, Übelkeit oder Blähungen. Aber regelmäßiges zu schnell essen kann auch langfristige Folgen haben.
Untersuchungen zeigen, dass hastiges Essen im engen Zusammenhang mit Übergewicht steht (1). Einer der Gründe ist unser Sättigungsgefühl, das ja der Schlüssel zur Vermeidung übermäßigen Essens und übermäßiger Kalorienzufuhr ist. Es dauert etwa 20 Minuten, bis unser Magen das Gehirn auf das Sättigungsgefühl und entsprechend auf eine ausreichende Nahrungszufuhr aufmerksam macht. Wenn wir aber zu schnell essen, kann es sein, dass das Sättigungsgefühl erst einsetzt, wenn wir bereits mehr Kalorien aufgenommen haben als unser Körper benötigt.
Erhöhtes Risiko für Gastritis und Reizmagen
Langfristig kann diese Angewohnheit jedoch nicht nur zu Übergewicht führen, sondern auch zu Magen-Darm-Erkrankungen. Eine Erklärung liefert die Verweildauer der Nahrung im Magen. Essen wir zu schnell und somit meist auch zu viel, verbleibt Nahrung länger im Magen und ist die Magenschleimhaut dementsprechend länger der Magensäure ausgesetzt.
Eine Studie an 10 893 Erwachsenen in Korea ergab z.B., dass die Personen mit der schnellsten Essgeschwindigkeit (< 5 Minuten/Mahlzeit) eine 1,7-mal höhere Wahrscheinlichkeit für eine Gastritis (Magenschleimhautentzündung) aufwiesen als diejenigen mit der langsamsten Essgeschwindigkeit (≥ 15 Minuten/Mahlzeit) (2). In einer anderen Studie mit 89 jungen erwachsenen weiblichen Militärkadetten in Korea mit relativ kontrollierten Essgewohnheiten wurde schnelleres Essen auch mit einem erhöhten Risiko für eine funktionelle Dyspepsie (Reizmagen) in Verbindung gebracht (3).
In jedem Fall werden durch das schnelle essen sämtliche Verdauungsorgane überlastet und das betrifft nicht nur den Magen, sondern auch Bauchspeicheldrüse und Leber, die einen Großteil zur Verdauung beitragen. Sie produzieren z.B. basische Verdauungssäfte, die den sauren Mageninhalt im Zwölffingerdarm neutralisieren und Enzyme, die die Nahrung weiter aufspalten. Auch produzieren sie Hormone, die die weitere Verarbeitung der Nahrung steuern.
Durch schnelles essen steigt als Folge die Wahrscheinlichkeit, dass mehr unverdaute Speisereste im Darm ankommen und dort durch Bakterien zersetzt werden müssen. Daraus resultierende Fäulnis- und Gärungsprozesse sorgen dann für unangenehme Blähungen und auch ungesunde Verschiebungen der Darmflora. Besonders die Besiedlung des Dünndarm mit Bakterien (SIBO), in dem sich normalerweise kaum Bakterien befinden sollten, werden dadurch begünstigt.
Im Extremfall kann es durch schnelles Essen großer Nahrungsmengen auch zu einer Magenentleerungsstörung bis hin zu Magenlähmung (Gastroperese) kommen. Solche Extreme sind aber die Ausnahme und treten mitunter bei Wettessern oder bei Bulimie auf.
Zu schnelles essen begünstigt Diabetes
Wie schnell die Nahrung aufgenommen wird, scheint leider ebenfalls das Risiko für Stoffwechselveränderungen und die Entwicklung von Typ 2 Diabetes zu beeinflussen. Zwei in Japan durchgeführte klinische Studien – eine Kohortenstudie mit 2050 männlichen Fabrikarbeitern (4) und eine landesweite Studie mit 197 825 Teilnehmern (5) – ergaben einen signifikanten Zusammenhang zwischen schnellerem Essen und Diabetes sowie Insulinresistenz. Eine Fall-Kontroll-Studie mit 234 Patienten mit neu aufgetretenem Diabetes und 468 Kontrollpersonen aus Litauen (6) brachte schnelleres Essen mit einem mehr als zweifachen Risiko für Diabetes in Verbindung. Und eine chinesische Querschnittsstudie mit 7972 Erwachsenen (7) zeigte, dass schnelleres Essen das Risiko für das metabolische Syndrom, erhöhten Blutdruck und zentrale Fettleibigkeit bei Erwachsenen deutlich erhöht.
Es wurden verschiedene Hypothesen aufgestellt, um zu erklären, warum schnelles Essen gerade den Zuckerstoffwechsel stören kann, darunter 1.) ein verzögertes Sättigungsgefühl, das zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme und entsprechend erhöhten Glukosespiegeln nach dem Essen beiträgt, 2.) ein Mangel an Zeit zum Kauen, der ebenfalls höhere Glukosekonzentrationen im Blut hervorruft, weil die enzymatische Spaltung der Stärke im Mund zu Zucker unzureichend ist. Der Zucker, der entsteht ist jedoch ein wichtiges Signal für die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse 3.) die Ausschüttung bestimmter Zytokine = Botenstoffe aus Immunzellen (z. B. Interleukin-1 Beta und Interleukin-6), die zu Insulinresistenz führen (8). Es ist auch möglich, dass der Zusammenhang darauf zurückzuführen ist, dass Menschen, die schnell essen, oft ein höheres Körpergewicht haben, was zu einem höheren Risiko für Diabetes führt.
Die Macht veränderter Gewohnheiten
Der Zusammenhang zwischen schnellem Verzehr von Mahlzeiten und Magen-Darm- und Stoffwechselkrankheiten birgt jedoch auch eine Chance, denn wir können das Tempo beim Essen beeinflussen bzw. verlangsamen. Eine Studie aus dem Jahr 2019 (9), bei der 21 Teilnehmer angewiesen wurden, eine 600-Kalorien-Mahlzeit in einem “normalen” oder “langsamen” Tempo (6 Minuten bzw. 24 Minuten) zu essen, ergab, dass die letztere Gruppe ein stärkeres Sättigungsgefühl verspürte und so weniger Kalorien zu sich nahm.
Es lohnt sich also beim Essen öfter zu entschleunigen, um nicht nur Magen-Darm-Beschwerden vorzubeugen, sondern auch unser Risiko für Übergewicht und Diabetes zu reduzieren.
Tipps für den Alltag
Hier mal ein paar Tipps, die dir dabei helfen können, im Alltag öfter langsamer zu essen:
- Versuch‘ zwischen den einzelnen Bissen, das Besteck, das Brötchen etc. abzulegen und erst wieder in die Hand zu nehmen, wenn du den letzten Happen zu Ende gekaut und geschluckt hast.
- Iss öfter mal mit Stäbchen oder auch mit der linken Hand (bzw. der rechten Hand, wenn du Linkshänder bist). Dadurch dauert eine Mahlzeit automatisch länger und das Sättigungsgefühl setzt noch während des Essens ein.
- Streu‘ öfter geröstete Saaten, Nüsse oder Croûtons über deine Gerichte, besonders über Salate, die gut gekaut werden sollten und über weiche Speisen, wie Nudeln, Reisgerichte, Suppen etc., die man leicht zu schnell isst. Durch diesen Trick sind wir automatisch gezwungen mehr zu kauen und verlängert sich zudem die Dauer deiner Mahlzeit. Auch verhindert ein intensives Kauen, besonders von kohlenhydratreichen Speisen, dass der Blutzucker zu rasch und zu hoch ansteigt.
- Toaste öfter dein Brot und belege es immer auch mit etwas knackiger Rohkost, wie z.B. Gurke, Paprika, Birnenscheiben oder Radieschen. Getoastet wird das Brot härter und trockener, so dass du es automatisch deutlich stärker durch Kauen einspeicheln musst. Und der knackige Belag oder ein paar Nüsse oben drauf macht noch zusätzlich mehr Kauen erforderlich.
- Achte darauf, gerade Mahlzeiten mit breiiger Konsistenz bewusst einzuspeicheln und langsam zu essen, wie z.B. Joghurt, Kartoffelpüree, cremige Suppe, Porridge, Grießbrei, Pudding, etc. Ruck zuck hat man sonst mehr Kalorien und Nahrungsvolumen aufgenommen, als unserem Bauch, Stoffwechsel oder der Figur guttut.
- Setz‘ dich beim Essen hin, denn im Stehen oder Gehen essen Menschen nachweislich schneller und treten öfter auch Verdauungsbeschwerden nach dem Essen auf.
- Iss öfter gemeinsam mit Freunden, Kollegen, Familie etc., denn die meisten Menschen essen in Gesellschaft langsamer. Das trifft aber nur zu, wenn das Gegenüber nicht ebenfalls ein Schnellesser ist und es sich nicht um Geschäftsessen handelt, bei denen man oft vor lauter Rededrang selten gut genug kaut.
- Versuche bei der Mahlzeit bei dir bzw. auf deinem eigenen Teller zu bleiben. Vergleiche dich nicht mit anderen, was Menge und Geschwindigkeit angeht, denn jeder is(s)t anders und nicht jeder verdaut gleich schnell und gleich gut.
Solltest du jetzt aber doch hin und wieder mal zu schnell und auch zu viel gegessen haben, dann bitte nicht verzweifeln und vor dich hin leiden. Eine Portion Bitterkräuter kann dir gerade in solchen Momenten wahnsinnig gut Erleichterung verschaffen und dir helfen die großen Nahrungsmengen schneller und auch besser zu verdauen. Selbst der Blutzucker kann durch die enthaltenen Bitterstoffe (Polyphenole) positiv beeinflusst werden.
Anmerkung: Der Ansatz durch langsameres essen, auch abzunehmen, ist möglicherweise nicht für alle betroffenen Schnellesser geeignet. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Taktiken zur Verlangsamung des Essens die Energieaufnahme von Menschen, die bereits übergewichtig oder fettleibig sind, nicht immer einschränken können. Möglicherweise unterscheiden sich Patienten mit Fettleibigkeit physiologisch in dem, wie sie ihre Nahrung verarbeiten bzw. verdauen (10). Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass etwa 20 bis 25 % der Menschen mit Fettleibigkeit eine schnellere Magenentleerung aufweisen und das wiederum zur Folge hat, dass sie sich nach einer Mahlzeit nicht satt fühlen(11). Das kann sich am Ende auf die Gesamtmenge der Nahrung auswirken, die sie essen, bevor sie sich wirklich satt fühlen.
Quellen:
-
- https://www.nature.com/articles/ijo201596
- https://www.kjfm.or.kr/journal/view.php?doi=10.4082/kjfm.2015.36.6.300
- https://www.gutnliver.org/journal/view.html?volume=4&number=2&spage=173&year=2010
- https://www.metabolismjournal.com/article/S0026-0495(12)00127-8/abstract
- https://doi.org/10.1038/s41598-019-44477-9
- https://www.clinicalnutritionjournal.com/article/S0261-5614(12)00136-7/abstract
- https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12889-018-5784-z
- https://e-apem.org/journal/view.php?doi=10.6065/apem.2040028.014
- https://www.jandonline.org/article/S2212-2672(13)01673-0/abstract
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6357517/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25486131/