Müde nach dem Essen? Die 10 häufigsten Ursachen und was du selbst dagegen tun kannst
Wir alle kennen Müdigkeit nach dem Essen. Stellt sich nur die Frage, was begünstigt Müdigkeit nach dem Essen und bis zu welchem Grad ist diese normal? Hier einmal die wichtigsten Erklärungen und im Anschluss einige Tipps, die du ausprobieren kannst, um möglichst auch ohne Koffein oder ein Nickerchen durch den Tag zu kommen.
- Die Aktivität unseres Ruhenervs (= Parasympathikus):
Der sogenannte Parasympathikus ist einer von zwei Teilen des sogenannten autonomen Nervensystems, welches nicht durch unseren Willen beeinflusst werden kann. Der Parasympathikus wird immer aktiv, nachdem wir gegessen haben. Er steuert und verbessert die Verdauung und hat eine allgemein beruhigende und entspannende Wirkung, was sich in leichter Müdigkeit bemerkbar machen kann.
- Unser natürlicher Biorhythmus:
Unser Organismus folgt einem circadianen Rhythmus, der u.a. durch unterschiedliche Organaktivitäten und Hormonspiegel zu spezifischen Tageszeiten gekennzeichnet ist. Um ca. 14 Uhr kommt es generell zu einem natürlichen/physiologischen Energie- und Leistungstief, der durch eine vorangegangene Mahlzeit noch zusätzlich verstärkt wird. Auch nach einer Nacht mit zu wenig oder schlechtem Schlaf zeigt sich dieser Effekt besonders deutlich. - Eiweißreiche Mahlzeiten:
Protein verbraucht viel Energie für die Verdauung, die anschließende Verstoffwechselung in den Zellen und die Ausscheidung seiner Stoffwechselendprodukte, wie dies des Harnstoffs über die Nieren. Des weiteren fällt bei der Verstoffwechslung von Eiweiß als Zwischenprodukt Ammoniak an, eine Substanz welche die Energieproduktion innerhalb der Zellen (Zitronensäurezyklus) drosselt und Müdigkeit begünstigen kann. - Die Nervenbotenstoffe Serotonin und Melatonin:
Eine weitere wichtige Rolle spielt die Aminosäure Tryptophan, die in proteinreichen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch und Eiern vorkommt. Nach einer Mahlzeit, die Eiweiß und gleichzeitig Kohlenhydrate enthält, wird Tryptophan mit Hilfe von Insulin vermehrt ins Gehirn aufgenommen. Dort wird es wiederum in Serotonin umgewandelt, einem Neurotransmitter, der die Stimmung verbessert, aber auch eine beruhigende Wirkung hat.
Serotonin ist aber auch die Vorstufe für Melatonin, das Schlafhormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert und uns abends schläfrig macht. Je mehr Tryptophan durch den Verzehr von Kohlenhydraten ins Gehirn gelangt, desto mehr Serotonin kann in Melatonin umgewandelt und dann in den Abendstunden von der Zirbeldrüse ausgeschüttet werden. Kohlenhydrate können folglich die Müdigkeit in den Abendstunden nach dem Abendessen verstärken.
- Salzreiche Speisen, insbesondere in Kombination mit Eiweiß:
Salz benötigt viel Energie für die Ausscheidung über die Nieren – ganz ähnlich wie Eiweiß. Auch das begünstigt Müdigkeit nach dem Essen. An dieser Stelle sollten wir uns bewusst machen, wo sich alles viel Salz versteckt ist. Käse, Wurst und Brot gelten als die größten Quellen für verstecktes Salz in unserer Ernährung.
- Veränderung der Durchblutung:
Nach dem Essen leitet der Körper einen Großteil des Blutes in den Magen-Darm-Trakt um, um die Verdauung zu unterstützen. Dieser Prozess erfordert viel Energie. Da nun weniger Blut und Sauerstoff im Gehirn ankommen, können geistige Funktionen beeinträchtigt werden, was zu einem Gefühl von Müdigkeit und Benommenheit führt. Nach großen und schwer verdaulichen Mahlzeiten (z.B. mit viel Eiweiß, Frittiertem) ist diese Umverteilung des Bluts besonders groß und der Effekt deshalb stärker spürbar. - Blutzuckeranstieg oder Blutzuckerabfall:
Eine große Portion an leicht verfügbaren Kohlenhydraten, in Form von Stärke (z.B. als Brot, Nudeln, Kartoffeln, Reis) oder Süßem (Süßigkeiten, Kuchen, große Mengen Obst) führt zu einem hohen Anstieg des Blutzuckers und zu einem anschließend meist raschem Abfall des Blutzuckers. Sowohl ein hoher als auch ein plötzlicher Abfall des Blutzuckers (Zucker-Crash) rufen Müdigkeit hervor.
Ein niedriger Blutzucker führt zu Energiemangel im Nervensystem und die darauffolgende Stressreaktion (Adrenalin) kann Erschöpfung und Müdigkeit auslösen.
Hohe Blutzuckerwerte (180 mg/dl) wiederum übersteigen die Nierenschwelle, d.h. die Nieren scheiden nun Zucker mit dem Urin aus. Da Zucker stark wasserziehend wirkt, führt dies zu einem vermehrten Harnlassen und einem starken Flüssigkeitsverlust (Dehydratation). Dieser Zustand kann das Blut dickflüssiger machen und den Kreislauf belasten, was ebenfalls zu Müdigkeit, Schwäche und Durst führt. Zusätzlich bewirkt ein hoher Blutzuckeranstieg, dass jetzt weniger des Nervenbotenstoffs Orexin in Nervenzellen gebildet wird, welcher uns normalerweise wach und auch hungrig macht.
Wenn du einen Zusammenhang zwischen deinem Blutzucker und auftretender Müdigkeit vermutest, könntest du mal versuchsweise Blutzuckermessungen nach dem Essen vornehmen – entweder mit Hilfe eines einfachen Blutzuckermessgeräts (2-3 Std. nach dem Essen alle 30 min. eine Messung vornehmen) oder mittels eines kontinuierlichen Glucosesensors, den man ohne Rezept im Internet erwerben kann und 2 Wochen lang am Oberarm trägt.
- Sättigungshormone:
Sättigungshormone wie Leptin und Insulin, die nach dem Essen freigesetzt werden, hemmen Nervenzellen, die auf das wachmachende Orexin reagieren. Durch diese Hemmung werden wir müde und dem wird Gehirn signalisiert, dass der Körper genügend Energie aufgenommen hat und nun in einen Ruhe- und Verdauungszustand übergehen kann. Ein weiteres Neuropeptid namens Galanin trägt ebenfalls zur Hemmung des Orexins bei und wird besonders nach fettreichen Mahlzeiten ausgeschüttet. - Nahrungsmittelunverträglichkeiten:
Ein typisches und häufiges Zeichen für Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten sind Symptome wie Müdigkeit und ein Pulsanstieg nach dem Essen. In dem Fall erhöht sich der Puls um mehr als 20 Schläge pro Minute. Verantwortlich dafür ist vor allem die Substanz Histamin, welche bei Immunreaktionen ausgeschüttet wird oder auch vermehrt mit der Nahrung aufgenommen und nicht ausreichend abgebaut werden kann. Histamin erweitert die Blutgefäße und erhöht die Herzfrequenz, was bis zu Herzrasen und Herzklopfen führen kann. - Leberbelastung:
Eine Überforderung der Leber macht müde. Wie heißt es so schön: „Der Schmerz der Leber ist die Müdigkeit!“ Nach dem Essen, wenn die Leber besonders hart arbeiten muss, kann eine bestehende Leberbelastung deshalb zu besonders starker Müdigkeit beitragen.
So vielfältig die Ursachen für Müdigkeit nach dem Essen, so vielfältig sind die Maßnahmen, die du ergreifen kannst, um ihr vorzubeugen oder auch akut zu begegnen – ganz ohne Koffein.
- Mehr trinken!
Gewöhn‘ dir an gerade zwischen und vor den Mahlzeiten genug bzw. mehr zu trinken. Wenn du gut hydriert bist, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass dein Gehirn aufgrund der Umverteilungen von Flüssigkeiten zu wenig Wasser und Energie bekommt, was müde macht.
- Kleinere Mahlzeiten
Kleinere Mahlzeiten sind generell eine geringere Belastung für den Kreislauf und die Verdauungsorgane, so dass – egal, was wir essen – mit weniger Müdigkeit zu rechnen ist.
Gerade Mahlzeiten, die etwas schwerer verdaulich sind (z.B. Hülsenfrüchte, Frittiertes) oder die große Mengen Eiweiß enthalten (z.B. ein großes Stück Fleisch) können besonders ermüdend wirken, v.a. wenn man soviel Eiweiß nicht gewöhnt ist und sich das Enzymsystem erst daran anpassen muss. - Mahlzeiten clever zusammenstellen
Gerade mittags, wenn wir nach dem Essen weiterarbeiten wollen, ist es sinnvoll, Mahlzeiten so zu gestalten, dass sie nicht nur aus einer großen Menge Stärke plus Fett oder Stärke plus Fett und Eiweiß bestehen, denn diese Kombination macht erfahrungsgemäß besonders müde. Das trifft z.B. auf Nudelgerichte, Pizza, belegte Brötchen mit Käse oder Wurst, Kartoffeln oder Pommes mit Fleisch oder Fisch zu. Das gilt aber auch für süße Hauptgerichte wie Pfannkuchen, Milchreis oder Porridge. Grund dafür, ist primär die erhöhte Insulin- und Leptinausschüttung.
Schlauer wäre es deshalb, gegartes Gemüse (und evtl. eine kleine Menge davon als Rohkost) zur Hauptkomponente der Mittagsmahlzeit zu machen und diese mit einer leichter verdaulichen Eiweißquelle und wenig Fett zu kombinieren – das wirkt sich weniger ungünstig auf den Blutzucker aus und belastet auch weniger die Verdauung.
Wie wär’s z.B. mit gedünstetem oder gegrilltem Gemüse mit einem Stück Fisch, Fleisch, Tofu oder Ei, wenn man auswärts essen geht oder einer selbstgemachten Bowl/Salat mit vorgegartem Gemüse, etwas Rucola plus gewürfeltem Räuchertofu, Hühnerfleisch, Fisch oder Tempeh. Auch Gemüsesuppen mit einer Eiweiß- oder Stärkeeinlage sind leicht verdaulich und nicht so belastend. Wenn es Getreide sein soll, dann dieses bevorzugt in gekochter Form einbauen und weniger als Brot, weil es gekocht leichter verdaulich und auch nicht so kalorienreich ist (mehr Volumen und mehr Wasser).
Nicht zu große Portionen Obst, Salat oder Quark
Da Rohkost und Salat in großen Mengen die Verdauung belasten kann und Obst in größeren Mengen den Blutzucker kurzfristig ansteigen und abfallen lässt, ist hier das richtige Maß gefragt. Obst eignet sich am allerbesten als kleine Vorspeise vor einer Mahlzeit und ein kleiner Salat ist die perfekte Beilage zum Essen, weil er die Verdauung unterstützen kann. Eine zu große Portion Salat kann hingegen genau das Gegenteil bewirken und durchaus müde machen.
Gemäß der Traditionell Chinesischen Medizin gelten Obst, Blattsalate und gesäuerte Milchprodukte, wie (Soja)Joghurt und Quark als deutlich yin, was ihnen grundsätzlich eine verlangsamende, beruhigende und kühlende Wirkung verleiht. Aus diesem Grund sind diese Lebensmittel als alleinige Mahlzeit mittags nicht optimal und können müde machen. Ist der Stresspegel allerdings sehr hoch, kann der Yin-Aspekt einer Joghurt- oder Quarkspeise mit Banane auch von Vorteil sein. Gerade abends kann ein solches Gericht helfen leicht runterzufahren und zu entspannen.- Im Sitzen essen, damit man nicht zu viel isst
Wichtig ist es, sich zum Essen bewusst hinzusetzen, weil im Sitzen bewiesenermaßen langsamer gegessen wird als im Stehen. Wer dadurch langsamer ist, isst automatisch auch weniger, weil das Sättigungsgefühl, das erst nach 20 Minuten einzusetzen beginnt, einen so noch ausbremsen kann. Wer hingegen schon nach 10 Minuten fertig ist, hat meist mehr gegessen, als zur Sättigung erforderlich gewesen wäre und somit die Verdauung hat nun mehr zu tun. - Bewusster und gründlicher Kauen
Wer gut und bewusst kaut und das Nervensystem nicht mit dem Handy oder dem Bildschirm ablenkt, verdaut seine Nahrung sowohl im Mund als auch im Magen und Dünndarm besser. So muss weniger Energie in den Prozess der Verdauung fließen, was uns unnötig Energie entzieht und müde macht. - Unverträglichkeiten beachten
Da nicht selten Unverträglichkeiten zu Müdigkeit nach dem Essen führen, lohnt es sich mitunter einen Auslass-Versuch dieser Lebensmittel zu starten. Die häufigsten Unverträglichkeiten liegen gegen glutenhaltige Getreide, Milchprodukte, Ei und Nüsse vor. Gluten steckt z.B. in Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Einkorn, Emmer und Hafer. Besonders in ihrer schwer verdaulichen oder konzentrierten Form wie z.B. als Brot, Backwaren oder rohem Müsli ist der ermüdende Effekt von Gluten besonders spürbar.
- Zum Frühstück gerne etwas mehr
Wer morgens guten Hunger verspürt, sollte dem nachgehen und am Morgen ruhig gut frühstücken. Morgens sind Hormone, wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin am Start, die uns wach machen und im Regelfall verhindern, dass uns größere Portionen zu dieser Tageszeit so müde machen wie am Mittag oder Abend. Ob ein ordentliches Frühstück zu dir passt, muss du natürlich selbst ausprobieren. Auch ist es eine Frage der Gewohnheit und der Zusammenstellung des Frühstücks, die den Unterscheid machen können. Einseitig kohlenhydratlastige Frühstücke aus Brot oder Porridge halte ich nicht für ideal.
Ein gutes Vorbild liefert uns das traditionelle japanische Frühstück, das man gut auch europäisch abwandeln und ebenfalls warm gestalten könnte. Japaner essen zum Frühstück ganz klassisch eine Misosuppe mit Algen, Gemüse und Tofu, dazu etwas Reis und 3 kleine Beilagen aus 1. fermentiertem Gemüse oder Natto, 2. gedämpftem Gemüse und 3. Wahlweise Ei, Fisch, Tofu oder Tempeh. Eine Suppe zum Frühstück wäre gerade für Menschen, die unter Verdauungsschwäche und Kälte leiden, eine gesunde Alternative.
- Leber entlasten und die Verdauung unterstützen
Wenn gerade Eiweiß dich müde macht, unterstütze deine Leber und auch den Magen. Bitterkräuter sind diesbezüglich ein besonderer Segen, weil sie nicht nur die Leberfunktion verbessern und so helfen den Ammoniak aus dem Eiweißabbau zu entgiften, sondern auch die Nierenausscheidung sowie die Magensäurebildung und den Gallefluss anregen. Magensäure und Galle benötigen wir für Eiweißverdauung und für die Fettverdauung. Oft ist aber gerade der Gallefluss bei bewusst fettarmer Ernährung oft unzureichend und die Magensäureproduktion bei einer Ernährung mit wenig Eiweiß und dafür hohem Pflanzenanteil häufig vermindert. Bitteres kann beides stimulieren, indem es Bitterrezeptoren im Mund und Magen-Darmtrakt aktiviert. Zudem wirkt der bittere Geschmack leicht anregend auf das zentrale Nervensystem, so dass es oft gar nicht des Koffeins bzw. Kaffees bedarf, um wacher zu werden.
Neben Bitterkräutern kann man wahlweise auch 1-2 EL fermentiertes Gemüse, eine fermentierte Salzaprikose (jap. Umeboshi Aprikosen) oder etwas geriebenen Ingwer (mit etwas Essig, Zitrone und Salz) als natürliche Verdauungshilfen zum Essen verzehren – auch das unterstützt die Säftebildung und erhöht die Verdauungskraft.
Wie du siehst, gibt es vieles, was uns nach dem Essen müde machen kann und ist eine gewisse Trägheit physiologisch und normal. Essen sollte uns aber nie komplett aus den Socken hauen, so dass ohne Kaffee gar nichts mehr geht. Wenn doch, hoffe ich, dass dir mein Beitrag ein paar Anregungen zur Veränderung liefern kann und das Nickerchen vielmehr eine Option und kein Muss nach dem Essen wird.
Wenn du gerne noch mehr erfahren möchtest, wie sich die Zusammensetzung und das Timing von Mahlzeiten auf die Gesundheit auswirkt, sei dir mein ebook „Chrononutrition“ an dieser Stelle sehr ans Herz gelegt.